Die Biomethan-Hoffnung für Gasheizungen

Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses haben das ursprünglich geplante Verbot von Gas- und Ölheizungen entschärft. Nun sollen auch Biomethan und Wasserstoff ihren Teil zur sogenannten „Wärmewende“ beitragen. Derweil hat der Fachverband Biogas (FvB) gegenüber der “Welt” erklärt, eine Machbarkeitsanalyse habe ein bisher ungeahntes Potenzial für Biomethan in Deutschland offenbart: Rund die Hälfte aller eingebauten Heizungen sollen mit dem Gas betrieben werden können. Doch was steckt hinter der Biomethan-Hoffnung?

 

Biomethan ist ein Gas, das in großen industriellen Anlagen entsteht. Das Umweltbundesamt (UBA) erklärt, dass es mithilfe von Bakterien entsteht, die pflanzliches oder tierisches Material abbauen. Je nachdem, welches Material in den Anlagen ist, können die Bakterien Methan von einem Gehalt zwischen 50 und 75 Prozent produzieren.

Damit ist es möglich, direkt vor Ort Strom und Wärme zu erzeugen. Eine andere Möglichkeit ist die Aufbereitung von Biomethan: Damit, erklärt die Bundesnetzagentur auf Anfrage, entspricht es „in seiner Zusammensetzung dem derzeit im Gasnetz transportierten Erdgas.“ Das aufbereitete Biogas kann dann „kann ohne Anpassung in bestehenden Heizungen und anderen Gasverbrauchsgeräten genutzt werden.“

 

Durch die EEG-Förderung gab es zeitweise ein großes Wachstum an Biogasanlagen in Deutschland; mittlerweile erzeugen knapp 9000 Anlagen rund 33 TWh Strom und decken etwa 5,4 Prozent unseres Stromverbrauchs.

 

Nicht erst seit Habecks Heizungsplan wurde Biomethan heiß diskutiert. Das Gas gilt als klimafreundliche Energiequelle, da es nahezu CO2-neutral ist. So schreibt zum Beispiel der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew), dass bei der Verbrennung von Biogasen nur so viel Emissionen freigesetzt werden, „wie während des Wachstums der Pflanzen aus der Umgebung gebunden wurde.“

 

Doch das UBA warnt davor, sich ausschließlich auf die CO2-Neutralität zu konzentrieren: Es sei zwar korrekt, dass bei der Herstellung lediglich bereits gebundene Emissionen ausgestoßen werden. Gleichzeitig werden in Biogasanlagen aber auch viele weitere klimaschädliche Gase und Stoffe hergestellt, die bei Gärprozessen von Gülle oder ähnlichem anfallen. Nicht zuletzt ist auch Methan ein Treibhausgas, dessen Freisetzen in der Atmosphäre zu Erderwärmung beiträgt. Und, so schreibt es das UBA, „ein nicht unerheblicher Anteil, durchschnittlich etwa fünf Prozent, des in Biogasanlagen produzierten Methans entweicht unkontrolliert in die ⁠Atmosphäre.“

 

Der Verband kommunaler Unternehmen (vku), der neben 1.500 Stadtwerken auch Energieversorger vertritt, betont hingegen die tragende Rolle für unsere Energiesicherheit. So sei Biomethan notwendig, um unsere Energieversorgung unabhängiger zu machen: Biogasanlagen können Strom und Wärme wetterunabhängig produzieren und würden uns gleichzeitig unabhängiger von fossilen Brennstoffen wie Erdgas machen, schreibt ein vku-Sprecher auf Anfrage.

 

Für Welt berechnete der FvB das in Deutschland vorhandene Biomethan-Potenzial. Die Berechnungsgrundlage liegt auch FOCUS online vor. Ergebnis: Mit Biomethan lassen sich rund sieben Millionen Haushalte weiter bewärmen. Dies entspräche immerhin fast der Hälfte aller verbauten Gasheizungen. Zudem sei dies eine wesentlich kostengünstigere Option für einen Erdgas-Ersatz als Wasserstoff.

 

 

Auch der vku vertritt eine ähnliche Ansicht bezüglich der Rolle von Biomethan: „Deutschland hat ein sehr gut ausgebautes Erdgasnetz. Mit diesem Netz und den zugehörigen Kavernen kann das Biomethan hervorragend verteilt und auch gespeichert werden“, heißt es vom vku. „Durch den Einsatz in KWK-Anlagen wird zugleich klimaneutrale Wärme erzeugt, die über Wärmenetze transportiert und an Haushalte und Gewerbebetriebe geliefert werden kann.“

 

Auf Basis der FvB-Berechnung bleiben jedoch noch einige Fragen offen. Ein Sprecher des UBA, der die Rechnung für FOCUS online überprüft hat, zweifelt daran, dass die Ergebnisse haltbar sind: So rechnete der Biogasverband mit Potenzialen an synthetischem Methan, das schlicht kein Biomethan sei, aber als solches umettikettiert wurde. Gleichzeitig ist unklar, woher genau die Referenzwerte für die Berechnung kommen. Gleiches gilt für die Herkunft des Biomethans: Woher etwa die Hälfte der sieben Millionen Haushalte die notwendigen  Biomethanmengen beziehen, wird nicht ersichtlich.

 

Das BMWK äußerte sich zur Verwendung in Gebäudeheizungen eher skeptisch: „Da nachhaltig erzeugte Biomasse nur begrenzt verfügbar ist und durch Nachfrage in verschiedenen Sektoren voraussichtlich teurer wird, sollte diese Option nur in Bestandsgebäuden genutzt werden, wo andere Lösungen nicht sinnvoll oder machbar sind, zum Beispiel in Gebäuden, die schwer zu sanieren oder denkmalgeschützt sind“, schreibt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage.

 

 

Nicht zuletzt räumt auch der Fachverband selbst die Grenzen der eigenen Berechnungen ein: So müssten alle verfügbaren Biomethan-Kapazitäten in den Wärmesektor fließen, um die Sieben-Millionen-Marke zu erreichen. Kapazitäten, die sonst allerdings der Verkehrssektor und die Industrie benötigen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es fraglich, ob das so vorgeschlagene Potenzial erreicht werden kann. 

 

Gesichert ist allerdings, dass Biogasanlagen gerade dann vorteilhaft sind, wenn sie ihren Rohstoff aus Abfällen gewinnen und damit Teil eines Kreislaufs sind: "Die Treibhausgasemissionen der Bioabfallbehandlung sinken und es besteht keine Nutzungskonkurrenz um Rohstoffe, wie Getreide und Raps", heißt es vom vku. "Attraktive Quellen sind vor allem Großküchen, Supermärkte und die Lebensmittel verarbeitende Industrie. Hier fallen täglich Massen an Nahrungsmitteln an, die entsorgt werden müssen." Laut UBA besteht lediglich ein Fünftel der Rohstoffe für Biogasanlagen aus Bioabfällen oder Resterzeugnissen aus der Landwirtschaft. Der Großteil hingegen komme aus „eigens angebauten nachwachsenden Rohstoffen“ wie Mais, Getreide oder Gras. Echte Kreislaufwirtschaft sieht anders aus.

 

Besonders der Einfluss durch den Anbau von Mais wird von Umweltschützern häufig kritisiert. "Die Praxis des Anbaus für Haupt-Substrat von Biomethan war und ist Mais", sagt Harald Ulmer, Agrarreferent beim BUND Naturschutz. "Dies hat zu einer extremen ‚Vermaisung‘ der Landschaft in Bayern und Deutschland geführt. Mais ist eine hochintensive Pflanze und führt zu Bodenerosion und Übernutzung der Böden. Darüber hinaus trägt die Monokultur Mais stark zur Reduzierung der Artenvielfalt bei."

 

Für größtmöglichen Ertrag wird Mais über Jahre hinweg auf der gleichen Fläche angebaut. Doch dieses Vorgehen entzieht dem Boden Nährstoffe und macht viele Pflanzen gleichzeitig anfälliger für Schädlinge.

 

Doch das müsse nicht zwangsläufig so sein: Laut vku könnten Rohstoffe für Biogasanlagen auch aus anderen Quellen kommen, etwa Wild- und Kulturpflanzen. Auch Agrarreferent Ulmer befürwortet die Verwendung anderer "Reststoffe aus der Landwirtschaft", die sonst nicht verwendet werden: Dazu zählen alle Reste und Abfälle, die bei der Produktion und Aufbereitung von Getreide oder Hülsenfrüchten entstehen.

 

Quelle: Focus online vom 06. April 2023